Montag, 10. November 2008

Nestwärme

Der Umzug ist ausgestanden, die meisten Kartons sind ausgepackt und eine Wohnung sieht wieder aus wie eine Wohnung. Na ja, bis auf die Küche. Kommt Zeit, kommt neue Arbeitsplatte.

Gemütlich habe ich es hier. Der angeblich „soziale Brennpunkt“ entpuppt sich als wohlgeordnetes Miteinander. Die Leute grüßen sich freundlich und um die Alten (es sind drei Familien allein in meinem Haus) wird sich gekümmert. Die AWO bietet Betreuungsdienste an, für kranke und alte Menschen, z. B. Einkaufen oder Putzhilfe und die Hausverwaltung ist schnell bereit und willig, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Und es ruhig hier. Himmlisch ruhig!

Gut. Die Nebenkosten sind beinahe so hoch wie die Miete, aber diesen Preis muss man wohl - zumindest anfänglich - zahlen, wenn man als Single in einer Vier-Zimmer-Wohnung wohnt. Allein der morgendliche Blick aus dem Fenster entschädigt für 72 Stufen, die im Übrigen ein hervorragendes Kardiotraining bieten. Ich schaue in einen uralten Baum mit riesiger Krone, manchmal hüpft da ein Eichhörnchen hin und her. Und jetzt im Herbst kann ich wunderschöne Sonnenaufgänge sehen. Vom Balkon auf der anderen Seite des Hauses, an diesem surrealistisch anmutenden Wohnturm vorbei, kann ich in die Weite sehen. Fast bis zum Flughafen bei gutem Wetter. Diese Sicht hat mir gefehlt in der alten Wohnung.

Ich lerne die, von mir anfänglich mit einiger Skepsis betrachteten, Gasöfen zu schätzen. Ich habe sogar meinen alten Wasserkessel (mit Pfeife) wieder zu Ehren kommen lassen. Der darf jetzt im Wohnzimmer auf dem Ofen stehen, obwohl zu kochendem Wasser reicht es nicht, aber das muss man ja keinem sagen.

Ich fühle mich wohl und geborgen in meinem neuen Nest. Und ich habe etwas gelernt. Manchmal kann Abstand auch die Möglichkeit zu einem Neuanfang sein. Das erlebe ich gerade. Und das ist atemberaubend und spannend. Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Donnerstag, 6. November 2008

Momentaufnahme


Es ist schön, dass wir uns haben.

Ich sitze neben dir auf dem Balkon. Wir haben den ganzen Tag gepflanzt und geräumt, um es uns schön zu machen hier draußen. Jetzt ruhen wir aus, genießen die nächtliche Stille, die nur von ein paar Zikaden gestört wird.

Gemeinsam beobachten wir den Himmel. Der Mond ist hell heute Nacht, obwohl es noch nicht Vollmond ist. Du sprichst mit mir. Ich versuche dir zuzuhören, aber meine Gedanken verselbständigen sich, wandern über den Sternenhimmel. Zur Venus. Zum Mars. Zum Großen Wagen, dem einzigen Sternbild, das ich auf Anhieb erkennen kann. Zum Mond. Erinnerungsfetzen. Traurige und schöne Momente passieren wie im Reigentanz meinen Kopf. Mal krampft das Herz, mal hüpft es vor Freude. Gesichter. Geliebte Gesichter, die ich nicht vergessen kann, auch wenn ich es will. Böse Gesichter, von Menschen, die ich besser nie gesehen hätte. Ein ganzes Leben rast in Sekunden vorbei. Fast ein magischer Moment.

Ich bin müde und möchte dennoch nicht schlafen gehen. Du nimmst meine Hand und ich schaue dich schuldbewusst an. Du hast gemerkt, dass ich bei den Sternen bin. Ein Lächeln huscht über dein Gesicht, wir verstehen uns ohne Worte. Es ist ganz still. Und doch höre ich einen Klang. Ein mächtiges Musikstück, das in meinem Inneren aufbraust. Musik, die in meiner Seele vibriert. Die nur ich hören kann. Plötzlich muss ich weinen. Nicht weil ich traurig bin, nein, weil der Moment so schön ist. So einmalig erscheint. So kostbar.

Ich sehe in dein Gesicht. Auch du hast Tränen in den Augen. Auch du hast die Musik gehört! Und da weiß ich plötzlich, dass wir noch viele solche Momente haben werden. Trotz Stürmen, Sorgen und Kummer. Solange uns die Sterne und das Mondlicht bleiben, werden wir sie immer wieder hören, diese Musik, die die Seele heilt.

Gemeinsam gehen wir schlafen. Liegen Arm in Arm und lauschen in die Nacht. Leise verweht die Musik, gibt der Wirklichkeit Raum. Es ist schön, dass wir uns haben.

Dienstag, 4. November 2008

Zornige Träume

Mir träumte einst, es gäbe eine Liebe, die währte ewiglich und überdauerte Zeit und Raum. Da wäre etwas, das im Strudel der Gezeiten verloren gewesen sei, unglücklich und verloren, aber nicht für immer. Und ich wähnte, ich müßte nur genug Leben leben, um diese zu finden. Wiederzufinden. Und ich lebte diese Leben, Stück für Stück. Stets war ich auf der Suche. Nach ihm. Nach dem, der einst vor Urzeiten mein Herz besessen und nie mehr hergegeben hatte. Viele Leben habe ich durchwandert, viele Lieben geliebt und viele Leiden gelitten. Doch ich fand ihn nie. Manchmal war da eine Ahnung, er sei es und ich sei angekommen, aber dann war es doch nur ein zynischer Irrtum, ein Spiel der Farben der Liebe und meine Suche ging weiter. Ich stellte mich den Stürmen der Liebe, öffnete mein Herz und ließ es zu und doch war da wieder der Irrtum. Ein weiterer Sturz in den Abgrund. Einmal zu viel gestürzt. Und ich haderte mit mir, mit ihm, mit der Liebe. Ich schrie ins Universum, ich brüllte meine Verzweiflung, ich ertränkte Sterne mit meinen Tränen. Und das Universum antwortete mir mit eisigem Schweigen. Und mir war klar, meine Zeit ist gekommen, ich muss nicht mehr wandern zwischen den Welten und den Zeiten. Ich muss nicht mehr suchen, denn der, den ich finden wollte, ist längst gestorben. Untergegangen in den Nebeln der Zeit. Meine Suche war vergeblich. Es gibt ihn einfach nicht.

Und jetzt weiß ich, ich werde niemals ankommen. Alle Suche, alles Hoffen war umsonst. Ich soll und werde ihn nie mehr treffen, das Schicksal oder eine böse Macht haben dagegen entschieden. Eigentlich ist diese Erkenntnis auch so etwas wie Ankommen. Wenn ich also, so stelle ich mir vor, nach meinem hiesigen Hinscheiden wieder an der Verteilerpforte gefragt würde, „Ewige Ruhe oder Wiedergeburt?“ so könnte ich nun wählen, „Ewige Ruhe, bitte.“ Ich würde in den bleiernen Schlaf der Ewigkeit fallen und müßte nicht mehr suchen, nicht mehr lieben und nicht mehr leiden. Vielleicht wäre ich für die ewige Ruhe aber doch zu quirlig und man würde mir einen Job anbieten, weil ich sonst die anderen ewig Ruhenden stören würde – nein wundern würde mich das nicht – dann würde ich bitten, ein Schutzengel sein zu dürfen. Für Liebende. Weil ich mich der Liebe doch so lange verschrieben hatte. Man würde mein Ansinnen prüfen und für gut befinden. Ich müßte natürlich noch ein, zwei Schutzengel-Seminare besuchen, aber dann würde es gehen.

Ich würde also ein Schutzengel. Und zugeteilt einem aufrichtig liebenden Mann oder einer aufrichtig liebenden Frau. Ja, das würde mir gefallen. Ich würde mein brennendes Schwert zücken und diese Liebe verteidigen. Ja, das würde ich. Mit all meiner Engelskraft. Und ich würde natürlich meine Flügel toll finden und meine feinstoffliche Gestalt. Aber ich hoffe doch inniglich, dass Engel, besonders Schutzengel, keinen Schmerz mehr fühlen müssen. Keine Liebe mehr kennen. Also, wenn das nicht so wäre, dann würde ich den Job nicht annehmen und lieber die ewig Ruhenden stören. Wahrscheinlich würde ich dann irgendwann aus dem Himmel vertrieben und in der Hölle landen.

Und - siehe da - alte Bekannte wiedertreffen…
Aber das ist ja auch alles nur geträumt.

Montag, 3. November 2008

Der Schutzengel


„Ja“, sagte mein Schutzengel, „diesmal hast du es mir aber wirklich nicht leicht gemacht.“ Er saß mir gegenüber auf dem Baumstumpf und wippte mit den Füßen. Ein wenig verwirrt sah ich mich um. Die Gegend kam mir bekannt vor. Richtig, das war das Wäldchen unterhalb der Straße, die ich beinahe jeden Tag befuhr. Aber was bitte machte ich hier?

„Nun schau nicht so verwirrt“, sagte mein Schutzengel und runzelte die Stirn. „Die Sonne scheint und es ist schön warm, also kein Grund, sich zu sorgen“. Ich sah ihn misstrauisch an, diesen spitzbübischen Kerl, der behauptete mein Schutzengel zu sein. Warum sollte ich mich sorgen? Dann inspizierte ich die Gegend genauer, während ich die Sonnenstrahlen auf der Haut genoss. Was war denn das da hinten? Mühsam stand ich auf und ging in Richtung des Qualms, den ich gerade entdeckt hatte. Mein Schutzengel folgte mir. Er wirkte nun etwas nervös. Beim Näherkommen sah ich, dass die Ursache mein eigenes Auto war. Mein schönes rotes Cabrio! Ich war entsetzt! Vorwurfsvoll wandte ich mich meinem Schutzengel zu, „Sag mal, was ist denn hier pass…“. Das Wort stockte mir in der Kehle, denn nun hatte ich mich selbst hinter dem Steuer erkannt. „Na ja“, sagte der Engel, „ganz konnte ich es eben nicht verhindern.“ Er runzelte die Stirn. „Aber“, sagte er fast entschuldigend, „dein Unfallgegner hatte keinen so guten Schutzengel“ und deutete zwischen die Büsche, wo ich einen leblosen Körper entdeckte. Schnell lief hin, sah aber gleich, dass ich für diesen Mann auch nichts mehr hätte tun können, wenn ich etwas körperlicher gewesen wäre. Körperlicher. Denn nun fiel mir auf, dass sowohl der Engel als auch ich sehr feinstofflich, fast durchscheinend wirkten. „Und du bist sicher, dass ich nicht tot bin?“ Misstrauisch beäugte ich den Engel, der wie ich fand, ein sehr gutaussehender Engel war. „Ja“, sagte mein Schutzengel, „ich bin sicher. Du bist nur schwer verletzt und komatös, darum ist das hier überhaupt so möglich.“

Ich fügte mich in mein Schicksal und fing an, mich mit dem Schutzengel wohl zu fühlen. Stunde um Stunde verbrachten wir fußwippend auf dem Baumstumpf, über Gott und die Welt fabulierend, und ich hatte es gar nicht eilig, gerettet zu werden. Aber dann stand er auf, umarmte mich und meinte, er müsse nun gehen, meine Retter seien nah. Ich wollte ihn aufhalten, ihm noch so vieles sagen und konnte doch nichts mehr tun, denn meine feinstoffliche Gestalt wurde nun magisch von meinem Körper, der noch immer im Autowrack lag, angezogen. Dann wurde es Nacht um mich.



„Ja“, sagte der junge Arzt, „da haben sie es uns aber wirklich nicht leicht gemacht.“ Verwirrt sah ich ihn an. Blinzelnd, denn das Licht schien sehr grell zu sein. Diese Stimme kam mir so bekannt vor. Als meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich mir den Arzt, der unablässig weiter gesprochen hatte, um mir meinen Gesundheitszustand zu erläutern, genauer an. Komisch, auch dieses Gesicht kam mir bekannt vor. „…aber sie werden wieder ganz gesund werden.“, schloss der junge Arzt seinen Vortrag. Ich lächelte ihn an. „Sie sehen aus, wie ein Schutzengel“, sagte ich zu ihm. Er wurde ein wenig verlegen. Aber ich fürchte, was ich wirklich damit gemeint habe, hat er nicht verstanden. Wie sollte er auch. Ich habe es ja bis heute selbst nicht verstanden. Aber manchmal sehne ich mich zu diesem Baumstamm: feinstofflich, schwerelos in der Sonne sitzen und über Gott und die Welt plaudern.

Die letzte Vorstellung


Die Bühne ist nun dunkel. Der Zuschauerraum leer. Ein merkwürdiger Geruch liegt in der Luft. Ein Gemisch aus Schweiß, Holz, Staub und schwerem Parfüm. Ich stehe mitten in der Szenerie. Lasse das leere Theater auf mich wirken. Meine Füße schmerzen heute mehr als sonst. Mein Herz ist schwer. So ist es jedes Mal, wenn wir wieder weiterziehen. Aber sonst war da auch die Vorfreude. Eine neue Stadt kennenzulernen, neue Garderoben, eine neue Bühne und natürlich ein neues Publikum. Immer wieder aufregend und spannend. Dieses Gefühl hat sich auch nach Jahren des Herumreisens nicht gelegt. Dieses Gefühl hat mich stets berauscht und alle Nachteile wettgemacht. Ich war so gern ein Teil dieses Ensembles. So gern.

Dieses Mal ist es ein Abschied nicht von der Stadt, sondern vom Ensemble, von den Freunden, die so viele Jahre meine Familie waren. Aber es ist auch ein Abschied von der Bühne. Von diesen Brettern, die die Welt bedeuten und meine Welt waren, seit ich zehn Jahre alt war. Darum stehe ich nun hier im leeren Theater, auf der leeren Bühne. Und versuche, nicht zu weinen, nicht zu schreien und keine Angst zu haben. Ich atme die vertraute Luft, trinke sie förmlich, weil ich hoffe, dass sie in mir bleibt und mich tröstet. Aber Trost scheint zumindest heute Nacht in weiter Ferne zu sein.

Wir haben Abschied gefeiert, meine Familie und ich. Haben gelacht und geweint und uns versichert, uns nie aus den Augen zu verlieren. Die Verlogenheit schon ganz unschuldig im Hinterkopf. Denn wir wissen alle, dass es so nicht sein wird. Nicht sein kann. Dies war meine letzte Vorstellung. Und auch auf der Bühne des Lebens bleibt mir nur mehr wenig Zeit. Zeit, die ich nutzen möchte um etwas Bleibendes zu schaffen. Wie viel Zeit mir dazu bleibt? Ja, der Herr Professor sprach von ca. einem Jahr, vielleicht weniger. Nun gut. Er kennt mich nicht. Ich bin zäh und gedenke nicht, mich dem Gevatter alsbald geschlagen zu geben. Aber ich fühle auch, dass ich schwächer werde. Darum war heute meine letzte Vorstellung.

Ich drehe mich entschlossen um. Verlasse Bühne und Theater. Draußen wartet meine Freundin Monique, bei der ich nun leben werde, im Auto. Ich steige ein. Wir fahren eine Weile. Ein kleines Dorf auf dem Land. Ein Bauernhof. Gemütlich, anheimelnd mein Zimmer.

„Willkommen daheim“ sagt Monique und lächelt mich an. Ich lächle zurück. Wissend, dass ich mein Zuhause niemals wieder finden werde.

Heldentat einer Mutter

Für Papa.

Maria hob ihren Kopf. Sie hatte vom Hof aus ein Geräusch gehört. Schnell lief sie ins Schlafzimmer, um zu sehen, ob Heinz, ihr einjähriger Sohn, noch schlief. Ein Blick ins Bettchen beruhigte sie, Heinz lächelte im Schlaf. Ebenfalls lächelnd ging sie zurück in die Küche. Da hörte sie wieder ein Poltern und einen unterdrückten Schrei. Diesmal aus der Werkstatt ihres Mannes, der einen kleinen Schusterladen betrieb. Aus Russland vertrieben, hatten sie sich hier in Tilsit niedergelassen. Zurzeit - nach Abschluss des Versailler Vertrags - war es häufiger zu Unruhen in der Stadt gekommen. Ja, neulich hatten sie sogar den kleinen Kolonialwarenladen an der Ecke geplündert und die alte Frau, die ihn besaß, beinahe umgebracht.

Maria war also alarmiert. Vorsichtig öffnete sie die Tür zur Werkstatt. Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren! Wilhelm, ihr Mann, lag rücklings über seiner Schusterbank. Ein großes Messer steckte in seiner Brust. Sie hörte ihn röcheln, aber widerstand dem Drang, zu ihm zu laufen oder zu schreien, denn sie spürte, der Mörder war noch da. Schnell drehte sie sich um, lief ins Schlafzimmer und nahm vorsichtig den schlafenden Knaben aus seinem Bett. Sie öffnete den großen Eichenschrank mit der Wäsche und legte Heinz in eines der Fächer, immer hoffend, er würde nicht aufwachen. Und Heinz schlief tatsächlich tief und fest weiter, das rettete sein Leben.

Maria ging nun zurück in die Küche und bewaffnete sich mit dem Küchenbeil. Sie wollte nicht kampflos sterben, ihr Kind verteidigen. Als die Männer in den Raum stürmten, schrie sie aus Leibeskräften um Hilfe. Es nützte ihr nichts. Die Männer schändeten sie zuerst, ermordeten sie eiskalt und machten sich dann daran, alles Verwertbare einzupacken und näherten sich dabei dem Schlafzimmer, in dem Heinz noch immer tief und fest im Schrank schlief. Der kleine Junge hatte wohl einen besonderen Schutzengel, denn just, als die Bande die Schlafzimmertür öffnen wollte, erschien endlich die Polizei und die Verbrecher flohen.

Wie war man doch entsetzt über die furchtbare Tat. Schamhaft breitete einer der Polizisten, der Maria gut gekannt hatte, seine Jacke über den geschändeten Körper der jungen Mutter. Der junge Mann weinte dabei. Sein Kollege kehrte aus der Werkstatt zurück und berichtete von Wilhelms Schicksal. Aber um Gottes Willen, wo war das Kind? Gepolter aus dem Schlafraum ließ sie die Beine in die Hand nehmen. Zunächst wussten sie nicht, woher es kam, aber dann hörten sie den kleinen Heinz dort im Schrank weinen. Erleichtert sahen sich die beiden Männer an und befreiten das Kind. Der Polizist, der Maria mit seiner Jacke bedeckt hatte, nahm den Jungen auf den Arm und bedeckte dessen Augen als sie an Marias Leiche vorbeigingen. Er brachte Heinz zunächst nach Hause zu seiner Frau.

Die hilfsbereite Familie hatte jedoch selbst schon sechs Kinder, das Kinderheim war überfüllt, was also war mit Heinz zu tun? Da hörte der Pfarrer von einem Heim im Ostwestfälischen, das noch Kinder aufnehmen konnte. So machte der kleine Heinz im Alter von einem Jahr eine lange Reise bis nach Ostwestfalen ins Kinderheim. Später wurde er von einer reichen Familie aufgenommen, aber nie adoptiert.

Seine Heimat hat er erst im Krieg wiedergesehen. Als Soldat in der Nähe stationiert, zog er Erkundigungen über sein Schicksal ein und traf eine Frau, damals Nachbarin, die sich noch gut an das schreckliche Ereignis erinnern konnte.

Auf diesen Erzählungen basiert diese Geschichte, die ja eigentlich auch meine ist. Denn Maria, die ihr Kind mit einer klugen Entscheidung retten konnte, war meine Großmutter.