Dienstag, 22. Dezember 2009

Eine Weihnachtsgeschichte


Es war bitterkalt in dieser beginnenden Heiligen Nacht. Der Schnee rieselte vom Himmel und in allen Fenstern sah man strahlenden Glanz und Kerzenschein. Müde stapfte Anne durch den Schnee, der unter ihren Füßen knirschte. Sie hatte eine weite Reise hinter sich gebracht, etliche Stunden auf Flughäfen gewartet, weil die Flüge wegen des Wetters Verspätung hatten. Dann war kein Taxi zu bekommen. Auch Taxifahrer wollen mit ihren Familien Weihnachten feiern. So hatte sie sich also zu Fuß aufgemacht. Sie fror, das Land aus dem sie kam, war so viel wärmer gewesen. Der Rucksack schnitt in ihre Schultern, aber sie klagte nicht, sie war voller Vorfreude. Endlich stand sie vor dem ihr vertrauten Haus. Sie wunderte sich ein wenig weil alles so dunkel war.

Mühsam nestelte Anne den Schlüssel aus der Tasche und betrat ein kaltes, stilles Haus. Sie bekam es mit der Angst, eilte zu den Nachbarn und schellte aufgeregt an der Tür. Recht schnell wurde ihr von einer jungen Frau mit einem Baby auf dem Arm geöffnet. „Anne“, rief diese, „wir haben uns alle schon Sorgen um Dich gemacht!“ „Ja, ja“ murmelte Anne, „Flüge Verspätung und Akku leer, aber wo ist Mutter?“ Aus dem Hintergrund erschien nun eine ältere Dame. Sie hatte den Autoschlüssel schon in der Hand. „Komm, Anne“, sagte sie, „wir fahren zu ihr. Keine Sorge, es ist nicht so schlimm, aber Du weißt ja, ihr Herz und wir konnten Dich nicht erreichen.“ Anne wurde es trotzdem Angst und Bange. Sie stiegen ins Auto und sehr vorsichtig lenkte die ältere Dame den Wagen durch den Schnee.

Schließlich blieben sie vor dem Krankenhaus stehen. „Komm“, sagte die Nachbarin. Zielsicher ging sie durch die Lobby zum Aufzug und drückte einen Knopf mit der Aufschrift „Innere“. Dann klopfte sie an eine Zimmertür. Sie schickte Anne hinein: „Ich warte hier auf Dich“. Und in das Zimmer rief sie leise: „Martha, ich habe sie Dir gebracht. Jetzt kann es auch für Dich noch Weihnachten werden.“

Dann schloss sie die Tür und nahm auf einem Sessel im Gang Platz, während sich drinnen im Zimmer Mutter und Tochter in dem Armen lagen. Nach einer Weile klopfte es leise an der Tür. Herein kamen in Prozession ein junger Mann, der Nachbar, mit einem kleinen geschmückten Weihnachtsbaum in den Händen, die junge Frau, die noch immer das Baby trug und die Zwillinge, wilde Buben, die im Sommer so manchen Strauß mit Annes Mutter gefochten hatten, aber nun ganz brav einen großen Korb trugen. Und dann natürlich die ältere Dame, deren Oma, die Anne hergefahren hatte.

Und ehe es sich Anne und ihre Mutter versahen, war eine bescheidene Weihnachtstafel im Krankenzimmer gedeckt. Wie jeden Heiligen Abend gab es Kartoffelsalat und Würstchen, Tradition in dieser Gegend. Und obwohl die Würstchen, trotz Thermobehälter, ein wenig kalt waren, erschien es Anne und ihrer Mutter, als hätten sie nie etwas Besseres gegessen. Auch Kerzen waren nicht vergessen worden.. Und die ungestümen Jungs hatten tatsächlich extra ein kleines Weihnachtsgedicht für die kranke Nachbarin geschrieben, um sie zu trösten. Annes Mutter war ganz gerührt und nahm sich vor, im kommenden Sommer ein wenig nachsichtiger mit der Rasselbande zu sein.

Und so kam es, dass diese Heilige Nacht, die so unglücklich begann, zu einer der Schönsten wurde, an die sich auch die beiden Jungs noch lange Jahre erinnern sollten. Anne und ihrer Mutter jedoch waren gleich zwei wunderbare Geschenke gemacht worden, die mit keinem Geld der Welt zu bezahlen sind: sich wohlbehalten in den Armen zu halten und die Herzenswärme dieser Nachbarsfamilie zu erleben.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern eine friedliche Weihnachtszeit und einen schwungvollen Rutsch nach 2010. Möge uns allen, nicht nur zu Weihnachten, das Geschenk der Herzenswärme widerfahren.