Dienstag, 14. Juni 2011

Eine Gute-Nacht-Geschichte – Teil 1

Guten Abend lieber Leser, schön dass Du Dir Zeit für mich nimmst. Ich möchte Dir eine Geschichte erzählen. Nein, keine schöne Geschichte. Es ist die Geschichte einer Mörderin, musst Du wissen. Einer ziemlich kaltblütigen zudem. Also, wenn Du etwas Zeit mitgebracht hast, mach es Dir bequem und höre zu.

Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Als das Achte und letzte Kind einer Familie, die mit weltlichen Reichtümern nicht gerade gesegnet war, hatte ich mein Päckchen zu tragen. Ich glaube, ich war 14 Jahre alt, als ich mir zum ersten Mal eigene Kleidung kaufte, bis dahin hatte ich stets Sachen von meinen Schwestern „aufgetragen“. Nun ja, genaugenommen habe ich diese neuen Klamotten nicht gekauft, „klaufen“ wäre wohl der richtigere Ausdruck oder schonungslos gesprochen, ich entwickelte mich zu einer versierten Ladendiebin. Zu meinen Jugendzeiten beschränkten sich die Sicherheits-Systeme der Kaufhäuser auf einen oder zwei Detektive, von denen sich die meisten als, sagen wir mal „minderbegabt“ herausstellten. Ich hatte also leichtes Spiel. Fortan änderte sich mein Leben. Ich hatte die neueste Schminke, die schicksten Klamotten und alle Mädels in der Schule bewunderten mich dafür. Ich war auf einmal wer. Zuhause fiel mein plötzlicher Wandel nicht sonderlich auf. Ich verhielt mich so unauffällig wie möglich und auf eine Nachfrage meiner Mutter erklärte ich ihr, ich hätte jetzt eine betuchte Freundin, die mir gnädig ihr altes Zeug schenke. Das genügte Mutter und ich wurde deswegen nie wieder behelligt.

So nahm meine Karriere ihren Lauf. Sehr bald kam ich dahinter, wie vorteilhaft ein hübsches Äußeres ist und wie manipulierbar Männer sind, wenn frau nur ein wenig mit dem Hintern wackelt oder Ausschnitt zeigt. Je älter desto opferwilliger. Also machte ich dem einen oder anderen angegrauten Möchtegern-Don-Juan schöne Augen und ließ mich von ihnen aushalten. Auf diese Weise kam ich alsbald an eine eigene kleine Wohnung, die von „Puschel-Papi“, wie ich ihn nannte, bezahlt wurde. Puschel-Papi war zuhause mit einem keifenden Weib geschlagen, der er es nie recht machen konnte. Darüber verzweifelte er oft sehr und ich musste ihm tröstend über seine Halbglatze streicheln. Manchmal hatte ich sogar Spaß am Sex mit ihm, auch wenn ich ob seiner Korpulentheit sehr verwundert war, dass sich bei ihm überhaupt noch etwas tat. Ansonsten wertete ich meinen körperlichen und mentalen Einsatz als Investition in die Zukunft.

Mittlerweile war ich Studentin und lernte die Vorteile des Campus-Lebens zu schätzen. Das war auch bitter nötig, denn Puschel-Papi fiel eines Tages als Geldgeber aus. Leider hatte ihn ein plötzlicher Herztod vor der Zeit dahingerafft. Zum Glück lief die kleine Wohnung auf meinen Namen, sodass ich lediglich eine neue Einnahmequelle suchen musste. Diese fand sich in Person eines angegrauten Professors, der – in kinderloser Ehe von seinem Weibe unverstanden – nach Bestätigung und Zärtlichkeit suchte. Beides gab ich ihm doch gern und er mir dafür sein Geld. Es war also eine Win-Win-Situation. Er war anders als Puschel-Papi. Eher hager, sehr sportlich und distanziert im Auftreten. Nur im Bett legte er diese Distanz ab, was mir durchaus auch zugute kam. Man kann sagen, wir verbrachten schöne Stunden in meiner kleinen Wohnung. Dann verstarb eines Tages völlig unerwartet die Gattin des Professors und er kam auf die unsinnige Idee, mit mir die Ehe eingehen zu wollen. Seine Freunde erklärten ihn für verrückt. Aber je mehr versucht wurde, es ihm auszureden, um so beharrlicher verfolgte er sein Ziel. Zunächst zierte ich mich scheinbar, aber nach einem Jahr – das für den Professor ziemlich teuer wurde – gab ich nach und wir heirateten ganz im Stillen und nur standesamtlich. So wurde ich mit knapp 26 Jahren die Frau Professor. Mein Studium hatte ich zwischenzeitlich beendet, aber an Arbeit dachte ich nicht. Wozu auch? Ich hatte alles, was das Herz begehrte, außer vielleicht meine Freiheit, die ich zunehmend vermisste. Zuhause fiel mir langsam aber sicher die Decke auf den Kopf. Daran konnte auch eine heftige Affäre mit meinem Joga-Lehrer nichts ändern. Diese Affäre erweiterte allerdings ganz weltlich mein Bewusstsein. Denn ich hatte plötzlich vertauschte Rollen. Jetzt zahlte ich für den Sex. Und irgendwie machte mich das zufrieden.

Ein Hemmnis auf diesem neuen Selbsterfahrungstrip bildete allerdings mein Gatte, der nun auch noch emeritierte und fortan den ganzen Tag zuhause war. So ging es nicht weiter und ich schmiedete den Plan, mich seiner zu entledigen. Ich bereitete das Ableben des Professors mit gebührender Gründlichkeit vor. Das gebot schon der Respekt vor dem Mann, mit dem ich immerhin einige und nicht die schlechtesten Jahre meines Lebens geteilt hatte.

Fortsetzung folgt

2 Kommentare:

  1. Irgendwie ertappe ich mich dabei gewisse Sympathien für diese Mörderin zu entwickeln.

    Oder um es mit B.B. zu sagen:
    „Was ist der Betrug im Vergleich zur Blödheit der Betrogenen?“

    Wenngleich der Tatbestand des Mordes natürlich unumkehrbar eine Grenze überschreitet!

    Was wohl aus der Protagonistin werden wird?

    LG

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  2. Liebe Anais,

    Bambulie schrieb wahre Worte. Auch ich entwickelte beim Lesen große Sympathie für die Mörderin.
    "Was wohl aus der Protagonistin werden wird?" Zitat Bambulie
    Ich habe gerade die Fortsetzung gelesen und bin immer noch total begeistert.
    ;-) Wie wäre es mit einem Stückli Schockie für all diejenigen, die nun Angst vorm Kraxeln haben… :-)

    Herzliche Grüße
    Corina

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