Montag, 30. März 2009

Frühling - die Zweite


Ein Leser schrieb mir mit wohlgesetzten Worten
und verwies auf die Scheidungsraten. Er wolle
"die Frühlings-Hormon-Thematik nur etwas
realistisch abrunden".
Hier nun meine Erwiderung :-)


Ja, da sagt der gute Mann,
wie es schrecklich enden kann.
Drum üb' nach Papst Enthaltsamkeit
niemals kommt es dann soweit.

Allerdings entgeht dann was,
in erster Linie großer Spaß
und auch der Gefühle Sachen,
können große Freude machen.

Denn Winter, Mensch, das laß Dir sagen
kann bringen mehr als viel Behagen.
Mit Mut und Kraft und Sorgsamkeit,
bleibt man auch länger noch zu Zweit.

Doch ein Geschenk ist sowas nie.
Tun muss man was, ob Er ob Sie,
sich lieben und sich Mühe geben,
dann hält die Sach' ein ganzes Leben.

Doch will man nicht, dann muss man nicht
hier und dieser Tage
Die Liebe ist ja keine Pflicht,
für manche eine Plage.

Ein jeder so wie er es mag,
gestaltet er dann seinen Tag.
Der eine so, die and're so,
Hauptsache ist 's sind alle froh.

Freitag, 20. März 2009

Frühling

Da sitzt Du dort auf Deinen Steinen,
scheinst komplett mit Dir im Reinen,
beinah wie auf hohem Ross.
Stets und überall der Boss.

Doch diese Steine sind so hart
und reicht sie ihre Hand Dir zart,
nimmst Du sie mit Freuden an.
Denn sie ist Frau und Du bist Mann.

Und nach der dunklen Jahreszeit,
bist Du zu einigem bereit,
denn nicht nur Frühlingsblumen sprießen,
nein, auch die Hormone schießen.

So öffne Dich der zarten Triebe,
vielleicht ist es ja sogar Liebe?
Und ihr beginnt, was dann und wann
im Standesamte enden kann.

So kann begründen Frühlingsluft,
mit ihrem zarten Blütenduft,
einen starken Bund für’s Leben.
Doch, glaub mir Freund, das soll es geben!

Mittwoch, 18. März 2009

Charlottes Nähkästchen


Als Du es noch konntest, hast Du feine Tischdecken gehäkelt. Stunde um Stunde hast Du da auf Deinem Sofa gesessen, geraucht, Dein Eierlikör-Sprudel-Zeugs getrunken und erzählt. Vom Krieg. Damals warst Du eine junge Frau mit wunderschönen blonden Haaren. Und Du warst Straßenbahnschaffnerin von Beruf. Weil Du so hübsch warst wurdest Du manchmal belästigt. Aber Du hattest von jeher eine große Klappe und wusstest, Dich zu wehren. Als die ersten Bomben fielen, wurdet ihr aufs Land geschickt. Später bist Du zurück, um zu helfen. Mich erschauert es noch heute, wenn ich an die Leichenberge verbrannter Menschen denke, von denen Du unter Tränen gesprochen hast. Aber auch lustige Sachen wusstest Du zu erzählen. Wie Du Deinen Mann kennenlerntest und er Dich umgarnte. Ihr verlobtet Euch noch schnell, denn er war als Soldat mit Kurs Richtung Ostfront auf der Durchreise. Dort, in Russland, galt er dann auch als verschollen und es hat lange gedauert, bis Du ihn wiedergesehen hast.


Jahre später ging es schleichend mit Deiner Gesundheit bergab. Eine schwere Kopfoperation, die Dein Gesicht zur Hälfte lähmte, konnte Dich nicht wirklich aus der Bahn werfen. Ich sehe Dich da sitzen, über Dich selbst und Deine neue Hässlichkeit spotten und täglich üben, um wenigstens einen Teil der verletzten Nerven wieder zu stimulieren. Geraucht hast Du weiterhin. Aber mit dem Eierlikörzeugs war Schluss. Die Krankheit hat Dich bitterer gemacht, aber Deinen - manchmal zynischen - Humor hast Du trotz allem nicht verloren. Auch dafür habe ich Dich immer geliebt und bewundert.

Nach der ersten Krebsoperation hast Du angefangen, Dein Nähkästchen zu füllen. Nähen oder häkeln war nicht mehr möglich, Deine Hände nicht mehr ruhig genug. Also fülltest Du das Nähkästchen mit allem, was Dich interessierte oder bewegte. Zeitungsausschnitte, Steine, Haarnadeln, Kinderschuhe. Jetzt lagst Du auf dem Sofa und machtest Kreuzworträtsel, um Deinen Geist wach zu halten. Liebevoll umsorgt von Deinem Mann.

Aber der Krebs hatte keine Gnade mit Dir. Obschon Du gekämpft hast wie eine Löwin, selbst eine Hirnhautentzündung konnte Dich nicht umbringen. Sieben Jahre Schmerzen, sieben Jahre schleichende Demenz und zunehmende Hilflosigkeit musstest Du hinter Dich bringen, bis der Tod Dich endlich erlöst hat.

Was von Dir geblieben ist, außer wunderbaren Kindheitserinnerungen? Dein Nähkästchen. Ich habe es noch nicht geschafft, es zu öffnen und zu sichten. Seit fünf Jahren nicht. Am Wochenende habe ich Dich besucht auf Deiner Wiese, wo Du Dich anonym hast bestatten lassen, weil Du niemandem zur Last fallen wolltest, mit Deiner Grabpflege. Ein schöner Platz ist das. Beschattet von einem riesigen Tannenbaum mit mächtigen Ästen und knorziger Rinde. Es ist tröstlich, sich vorzustellen, dass dieser Baum Dich nun beschützt. Du sicher verwahrt zwischen seinen Wurzeln liegst.

Den zynischen Humor und die Kämpfernatur habe ich von Dir geerbt. Beides nicht immer leichte Hypotheken, aber auch Eigenschaften, die mich das Leben haben meistern lassen. Ich will also zufrieden sein und mutig.

Denn weißt Du was, Charlotte? Morgen, ja morgen öffne ich endlich Dein Nähkästchen. Dann kannst Du mir noch einmal - zum letzten Mal - all die vertrauten Geschichten erzählen. Vielleicht gelingt es mir dann endlich, wirklich Abschied von Dir zu nehmen. Und nicht mehr von Dir zu träumen. Zu verstehen, dass Du nun Deinen Frieden hast. Und ich meinen Frieden mit Dir machen kann.

Dienstag, 17. März 2009

Monotonie

Tag für Tag der gleiche Ablauf.
Gleich einem undichten Wasserhahn, reiht sich Stunde um Stunde
wie Tropfen aneinander.
Verdichten sich zu einem Meer voller Tränen.
Mit kleinen Inseln, die wie Hoffnungsschimmer mühsam aus dem Wasser ragen.

Die Gesichter sind grau.
Uniformierte Gestalten hetzten durch die Straßen, die Blicke gesenkt und nach innen gerichtet.
Blechlawinen mäandern stinkend durch die Stadt.
Auch sie wirken uniform zwischen den kalten Glasfronten der Häuser.

Hier und da eine bunte Gestalt, die nicht in das Einerlei passen will.
Erntet ausgrenzende, böse Blicke oder wird schlicht ignoriert.
Die Farben der Verkehrsampeln bestimmen das Leben.
Jede weitere Farbe stört und verunsichert.

Hier ist kein Platz für Kinderlachen und bunte Luftballons.
Und doch steht an der Straßenecke ein kleines Mädchen und singt ein Lied.
Ein einfaches Kinderlied, mit klarer heller Stimme.
Vorbeihastende Gestalten bleiben plötzlich stehen.
Angerührt.
Der Gesang verstummt.
Die Gestalten hasten weiter.

Das Kind wird von der Straße gezerrt.
Verschwindet in einem Wohnturm aus Glas.
Ein einzelner Vogel kreist über dem Geschehen.
Wie ein Geier über dem Kadaver in der Wüste.
Im Wohnturm presst ein kleines Mädchen seine Nase an das Fenster,
das sich nicht öffnen lässt.
„Nimm mich mit, Vogel, nimm mich mit“, flüstert es.

Mittwoch, 11. März 2009

Waltzing Martina

Manchmal besorgte ich ihr einen Döner, sie hat mal gesagt, dass sie das Zeug mag, obwohl es ihrer Gesundheit schade, und dabei mit ihrem beinahe zahnlosen Mund laut gelacht. Irgendwie sind wir im Laufe der Jahre zu Freundinnen geworden. Als ich ganz neu war in Frankfurt, fragte ich sie nach dem Weg. Und sie hat mir so nett geantwortet, dass ich sie nicht vergessen habe. Von Zeit zu Zeit setzte ich mich dann mal zu ihr, nicht zu lange, das sei schlecht für's Geschäft, und wir haben bei einem Kaffee geplaudert.

Sie erzählte mir ihre Lebensgeschichte, die ähnlich wie meine beginnt, aber ganz anders geendet hat. Sie ist abgerutscht in Drogensucht und Prostitution und irgendwann auf der Straße gelandet. Heute will sie kein Freier mehr. Darum sitzt sie hier. Sie hat einen Hund, der ihr zugelaufen ist und sie ist froh, dass sie eine warme Seele an der Seite hat. Nachts schläft sie in wechselnden Obdachlosenunterkünften - es gibt immer Probleme wegen dem Hund - oder in den warmen Eingangsbereichen der Kaufhäuser. Obwohl das immer schwieriger wird, weil die meisten Läden über eigenes Wachpersonal verfügen, das keine Obdachlosen duldet. Sie sagt, sie sei zufrieden, so wie es jetzt ist und nippt diskret an der Schnapsflasche.

Letzten Winter habe ich sie zum Arzt geschleppt, weil sie ihren Husten nicht losgeworden ist. Der machte uns wenig Hoffnung. Aber das wusste sie eigentlich auch vorher, wie sie lakonisch bemerkte. Dann setzte sie sich wieder an ihren Platz und streichelte ihren Hund.

Vorige Woche wollte ich sie wieder besuchen. Ich war länger nicht in der Stadt gewesen. Sie war nicht mehr dort. Andere Obdachlose haben mir erzählt, sie sei gestorben und der Hund im Tierheim oder auch tot. So hat die Stadt Frankfurt eine Obdachlose weniger. Sie hieß Martina und wäre bald 48 Jahre alt geworden. Geblieben von ihr sind eine leere Flasche Schnaps und eine zerknüllte Decke, die bald einen neuen Besitzer finden wird.

Donnerstag, 5. März 2009

Von der Angst

Als ich das erste Mal Wärme spürte,
ein Mensch mich als Mensch berührte,
einfach nur so und ohne Pflicht,
sah ich meiner Angst ins Gesicht.

Nun ist sie da dieses teuflische Ding,
ich pack sie, steig mit ihr in den Ring,
spiele ihr sogar heimliche Possen,
im Kampf mit ihr bleibe ich unverdrossen.

Und ist dieser Weg auch steinig und hart,
hab' ich doch meinen Humor bewahrt.
Denn manchmal passieren komische Sachen
und die Angst, die hat Angst vorm Lachen.

Mittwoch, 4. März 2009

Happy birthday to me

Was ist ein einzelnes Leben schon vor dem Moloch des Universums? 47 Jahre schon vor dem Malstrom der Zeit? Und trotzdem ist es ab und zu sicher Notwendigkeit, einmal Resümee zu ziehen. Wo wollte ich hin, wo bin ich angekommen, wo wird es mich hinführen? Das anstehende Wiegenfest weckt in mir das Bedürfnis, mich still hinzusetzen und mein Leben Revue passieren zu lassen.

Ich greife also zur vertrauten Tasse Kaffee und tauche ein in meine Gedankenwelt.

Gehe zurück in die Kindheit. Bilder entstehen vor meinem geistigen Auge. Schöne Bilder. Schreckliche Bilder. Gefühle der Geborgenheit. Gefühle der Angst und Verlassenheit und Schmerz. Dieser schreckliche Schmerz, den ich selbst heute noch manchmal fühle. Auch wenn er mich nicht mehr schrecken kann. Er ist fast wie ein alter vertrauter Freund. Immer wieder lese ich von misshandelten oder missbrauchten Kindern. Dann ist er da. Der Schmerz steht mir zur Seite und es tröstet mich, dass er nach so langer Zeit immer noch da ist. Dann spüre ich, dass ich noch lebe. Das ich es geschafft habe zu überleben. Trotzig recke ich mein Kinn, gehe ins Bad und schaue in den Spiegel. Schaue mir selbst in die Augen. Ja, auch der Schmerz hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Nein, dafür muss ich mich nicht schämen. Ich habe gelernt damit zu leben, mit dieser Erinnerung.

Die Gedanken wandern weiter.

Meine Schulzeit, meine Jugend. Viel zu alt im Kopf aber trotzdem verspielt. Das Universum wollte ich erobern, alles, alles sollte mir zu Füßen liegen! Ich wollte die Welt verbessern und den Menschen Gutes tun. Ich konnte mir das leisten, denn ich war jung, unbeschwert und zufrieden. Gepolstert mit einer Portion Abenteuergeist, einer Prise wohldosierter Naivität und grenzenloser Lebensfreude, machte ich mich also auf in das Abenteuer Leben, das die Welt bedeutet. Es gab schöne, wilde Zeiten. Heimliche Zigaretten auf dem Schulhof, verstohlene Küsse auf der Rückbank eines Manta. Oh Gott ja, es war wirklich ein roter Manta. Und ER hatte blonde lange Haare! Kichern, tuscheln, Freundinnen. Sorglosigkeit. Ein warmes Gefühl macht sich im Bauch breit.

Dann die schönste Erinnerung, die Geburt meines Kindes. Das unbeschreibliche Gefühl, dieses winzige, warme Bündel in den Armen zu halten. Dieses Wunder! Ich möchte heute noch schreien vor Glück. Die gemeinsamen Jahre mit meinem Kind. Manchmal zu zweit. Manchmal zu dritt. Aber immer fest miteinander verbunden. Wie schnell doch diese Jahre verflogen sind!

In meinen Gedanken reihen sich die vielen Gesichter aneinander, nehmen Gestalt an: Mutter, Vater, Geschwister, Geliebte und Ungeliebte, ein bunter Reigen Menschen von verschiedenster Zugehörigkeit zu meinem Leben. Könnte, sollte ich je einen von ihnen vergessen? Nein. Vergessen mag und will ich niemanden. Da sind so viele Kammern in meinem Herzen, auch die schwarzen, die traurigen, und in denen sitzen diese Menschen in meiner Erinnerung. Jeder schön geordnet in seinem eigenen kleinen Raum. Ich will ja den Überblick nicht verlieren.

Ich gieße mir eine zweite Tasse Kaffee ein und ich bin mir sicher, wenn mein Leben heute zu Ende sein müsste, ich könnte ohne Reue gehen. „Ja“, würde ich sagen, „ich habe Fehler gemacht. Und dafür bezahlt. Ohne zu murren.“ Und wenn man mich frug, ob ich ein guter Mensch sei, ich wüsste nicht, was ich antworten sollte. Was ist ein guter Mensch? Nein, ich glaube, gut war ich nie. Aber verlässlich und ehrlich. Und in erster Linie ein Mensch.

Das Leben wird weitergehen. Doch wohin? Zu neuen Ufern? Zu neuen Herausforderungen? Weiß ich denn, was morgen sein wird? Und will ich es eigentlich wissen? Und wenn ich mich also heute frage: "Was willst du?", komme ich zu dem Schluss: "Ja, was schon? Das Universum natürlich!" Und plötzlich bin ich wieder 18 Jahre, die bloßen Füße im Sand und mit dem Wind und den Wellen flirtend.

Und ich stelle fest: Das Leben ist großartig!