Dienstag, 14. Juni 2011

Eine Gute-Nacht-Geschichte – Teil 2

Zunächst galt es zu entscheiden, welche Mordwaffe ich verwenden wollte. Gift? Zu profan und zu leicht zu durchschauen. Auch alle anderen gängigen Möglichkeiten erwog ich und verwarf sie wieder. Bis eines Tages bei einem gemeinsamen Fernsehabend (den ich langweilig genug fand) endlich die Lösung gewissermaßen zu mir aufs Sofa sprang. Mein Gatte bewunderte nämlich gerade die gezeigte Berglandschaft und äußerte den Wunsch, mal wieder in den Alpen Urlaub machen zu wollen. Ich hasse die Berge! Und das Letzte, was ich mir für mein Leben vorstelle, ist in klobigen Bergschuhen an irgendwelchen gähnenden Abgründen herumzukraxeln. Aber in diesem besonderen Fall stimmte ich dem Professor begeistert zu. War doch im Hinterkopf der Plan schon fertig.

Dieser anstehende Urlaub gab mir zudem die Gelegenheit, ganz unverfänglich nach den Finanzen und dem Versicherungsstatus zu fragen. Dinge, mit denen ich mich davor nicht beschäftigt hatte. Mein Gatte freute sich sogar über mein neu erwachtes Interesse an den geschäftlichen Angelegenheiten des Hauses und gab sich sehr viel Mühe, mir alles bis ins Kleinste zu erklären. Ganz am Rande stellte sich heraus, dass ich auch noch zusätzlich zu Haus und Vermögen mit einer nicht zu verachtenden Lebensversicherung bedacht war. Beste Voraussetzungen für mein anstehendes Vorhaben.

So packten wir also unsere Sachen und fuhren in die Schweizer Alpen. Wir hatten uns in einem kleinen Berghotel eingemietet, in dem zu dieser Jahreszeit nicht viele Gäste zu finden waren. Hauptsaison dort war der Winter. Auch dieser Umstand kam meinen Plänen sehr entgegen. Wir wollten zwei Wochen bleiben und ich war mir sicher, dass sich innerhalb dieser Zeit die passende Gelegenheit für mein dunkles Anliegen ergeben würde. Mitte der zweiten Woche (ich war schon fast der Verzweiflung nah) war es dann soweit. Mein Gatte wählte eine Wanderroute, die zu großen Teilen über einen sehr schmalen Pfad führte, der lediglich von einem als Geländer gespannten Drahtseil gesichert wurde. Eigentlich war es gedacht, dass man sich dort mit einer Sicherungsleine einhakte, was ich selbstverständlich auch tat, mein Gatte jedoch hielt dies nicht für nötig, schließlich sei er ein erfahrener Kraxler. Und so spielte er mir freundlicherweise zusätzlich in die Hände. Hatte ich schon erwähnt, dass der Professor ein sehr fürsorglicher Gatte war? Ein weiteres Mal bewies er das jetzt.

Da ich hinter ihm ging, war es auch gar nicht schwer, ihn zu schubsen. Beinahe hätte er mich mitgerissen – zum Glück war ich angeleint – und der Blick, den er mir zuwarf, als er lautlos in die Tiefe stürzte, bereitet mir bei aller Kaltblütigkeit noch heute Alpträume. Und so war nicht viel Schauspieltalent erforderlich, als ich völlig abgehetzt und verzweifelt beim Berghotel wieder ankam und sofort Polizei und Bergrettung verständigen ließ. Auch rief man einen Arzt, der sich um mich kümmerte und mir ein Beruhigungsmittel verschrieb. Das hatte ich auch bitter nötig, denn es dauerte volle drei Tage, bis man die zerschmetterte Leiche endlich fand. An meiner Version, der Professor habe einen Fehltritt getan und sei gestürzt, ohne dass ich ihm hätte helfen können, hatte spätestens dann keiner mehr Zweifel, als man sah, dass er tatsächlich kein Sicherungsseil bei sich trug. Endlich konnte ich abreisen.

Ein neues Leben fing für mich an. Als trauernde Witwe musste ich natürlich den Schein wahren und hielt das Trauerjahr strikt ein. Regelmäßig besuchte ich das Grab meines Mannes und hielt engen Kontakt zu seinen Freunden, die zwar unsere Heirat mit einigem Naserümpfen bedacht hatten, aber nun – überzeugt von meiner Trauer und offensichtlichen Liebe zu dem Verstorbenen – ihre Meinung revidierten und sich rührend meiner annahmen. Zwei Jahre hielt ich das Theater durch (und meinen Joga-Lehrer auf Distanz). Dann erklärte ich, das Haus verkaufen zu wollen, da mir die immerfort währende Erinnerung an den Professor das Herz zerreißen würde. Die Freunde akzeptierten das. Sahen sie doch wie sehr ich litt. Schade, dass es für Schauspielleistungen in Zusammenhang mit Kapitalverbrechen keinen Oskar gibt. Ich hätte ihn redlich verdient.

So kaufte ich mir also ein hübsches Anwesen auf einer Mittelmeerinsel und dachte, ich könne nun ein sorgloses Leben führen. Leider war diese Hoffnung trügerisch

Fortsetzung folgt vielleicht...

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