Samstag, 21. April 2012

Freunde bleiben

Mit einem schmatzenden Geräusch fällt die Tür hinter uns ins Schloss. Es ist vorbei. Ich bin eine geschiedene Frau. Der Rechtsanwalt verabschiedet sich mit einem Händedruck. Ihm ist es recht, er hat seinen Job gemacht. Eine Scheidung von vielen. Noch stehst du neben mir, doch gleich werden sich unsere Wege endgültig trennen. Wir werden Freunde bleiben.

Wir beschließen, noch einen Kaffee zu trinken. Schweigen. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Wie konnte es soweit kommen? Himmelhochjauchzend sind wir damals in diese Ehe gestolpert. Glaubten an unsere Liebe und an unsere Zukunft. Und haben alles falsch gemacht. Zu sicher waren wir uns. Zu viele Missverständnisse. Zu wenig geredet und Gefühle gezeigt. Weil wir uns nicht verletzen wollten, haben wir uns tiefe Wunden zugefügt. Das Ergebnis war, dass wir uns verloren haben. Du wolltest mich nicht gehen lassen. Aber als du angefangen hast, um mich zu kämpfen, war ich längst von dir fort. Hatte bereits resigniert. Abgeschlossen. Du hast versucht, die Tür wieder zu öffnen, aber der Schlüssel war unwiederbringlich verloren. Neue Türen haben sich in mir geöffnet, mit Schlüsseln, die nicht für dich bestimmt sind. Und doch ist sie geblieben, diese Vertrautheit. Wir kennen uns so lange. Dein Blick sagt mir, du weißt genau, was ich jetzt denke. Ich muss lächeln und du auch.

Wir zünden noch eine Zigarette an, dann wird es Zeit. Ich muss dich zum Bahnhof bringen. Am Bahnsteig wartet schon der Zug. Eine Umarmung zum Abschied. Feuchte Augen. Ich kann nicht weinen, aber mein Herz ist trotzdem schwer. Ich warte bis der Zug abfährt und winke dir zu. Du fährst nach Norden in dein neues Leben. Ich bleibe hier, bin glücklich in meinem neuen Leben. Und doch wirst du mir fehlen, mein alter Freund.

Später am Tag klingelt das Telefon. Du willst mir nur sagen, dass du gut angekommen bist. Wir werden wieder telefonieren.

(M)ein Beitrag zur Themenwoche "Freundschaft" bei zeitverdichtet

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